Ich habe ein von Heinrich Heine entliehenes Zitat gewählt, um meine neuen Fotos unter ein gemeinsames Thema zu stellen. Wer Frösche, Vögel, Architekturbilder und dergleichen zusammenstellt, hat es da einfacher.
"Mein geliebter Pegasus" ist für den Anlaß ideal, Darstellungen, die keine Gemeinsamkeiten aufweisen, zusammenzufassen. Der Pegasus, ein Pferd mit vier Beinen und zwei Flügeln, ist ein seit der Antike bekanntes und beliebtes Symbol für Phantasie, Einfallsreichtum, Dichtkunst, für die Musen. Die vier Beine stehen für Erdverbundenheit, die zwei Flügel für das Entrücktsein von irdischen Zwängen.
Heine mußte in der Restauration der nach-napoleonischen Zeit und damit erzkonservativen Gedankenguts vor allem in Deutschland, nach Paris fliehen. Ausschnitte aus seinem literarischen Schaffen stehen in jedem französischen Lehrbuch für Gymnasiasten als Beispiele für deutsches Denken (neben dem von Goethe). In Deutschland wurde sein literarisches Schaffen schon zu seiner Zeit unterdrückt, er selbst steckbrieflich gesucht. Ein Jahrhundert später in der Nazizeit wurden seine Bücher verbrannt - er war zu allem Überfluß auch noch Jude gewesen ! Beerdigt ist er auf dem Friedhof Montmartre neben anderen großen Persönlichkeiten. Auch Dalida ist dort beerdigt.
Friedhöfe sind voller Leben. Beim Schlendern durch die Grabreihen des Cimetière Montmartre fiel mir das Gekritzel auf: "Hâtons-nous de vivre". Es ist in Stein gemeißelte Geschichte. Die Worte greifen das zwei Jahrtausende alte und von Horaz stammende Thema des "Carpe diem" auf:
("genieße das Leben, solange du kannst"). Dies wurde u. a. im 17. Jahrhundert von einem französischen Dichter der Louis XIV-Ära aufgegriffen und mit dessen Wortlaut auf dem Grabstein aus dem 20. Jahrhundert zitiert, aber leider vom Steinmetz mit falscher Orthographie versehen. Was mich aufmerken ließ, war die von einem anderen Amateur und wahrscheinlich Lehrer der französischen Sprache angebrachte Rechtschreibkorrektur.
Sowas ist gelebte und lebendige Friedhofsruhe. Ich fühlte mich verbunden mit soviel Jahrhunderten Geistesgeschichte.
Heribert Schmalohr